"Daniel Buren, Olivier Mosset, Niele Toroni" – [Manifestation 5]
8, rue Montfaucon, (ehemals Galerie J unter der Leitung von Jeanine Goldsmith, die zu diesem Anlass wieder eröffnet wurde.)
Paris,
5. - 25. Dezember 1967
Exposition de groupe
Die Ausstellung umfasst insgesamt neun Leinwände. Drei stammen von Buren. Jeder Künstler malte sowohl ein eigenes Werk als auch je eines der beiden anderen.
Folglich wurden drei Gemälde auf industriell vorgefertigtem, senkrecht weiß und orangefarben gestreiftem Leinenstoff ausgeführt, dessen beide äußere Streifen mit weißer Farbe übermalt wurden. Das erste stammt von Daniel Buren, das zweite von Olivier Mosset und das dritte von Niele Toroni.
Außerdem führte Daniel Buren zwei weitere Leinwände aus: die eine ist vollkommen weiß mit einem in der Mitte gemalten schwarzen Kreis; die andere weist farbige, gegeneinander versetzte, mit einem flachen Pinsel (Nr. 50) aufgetragene Pinselabdrücke auf weißem Hintergrund auf.
"Bisher präsentierten Buren, Mosset, Toroni immer:
. ‘eine Leinwand mit senkrechten Streifen, deren beide äußere Streifen mit weißer Farbe übermalt wurden’ als ‘einen Buren’ ;
. ‘einen schwarzen Kreis inmitten einer weißen Leinwand’ als ‘einen Mosset’,
. ‘auf einer weißen Leinwand gegeneinander versetzte Pinselabdrücke von einem flachen Pinsel’ als ‘einen Toroni’.
Heute präsentiert jeder die Leinwände sowohl der beiden anderen wie auch die eigene und signiert alle drei mit seinem eigenen Namen.
In der Struktur der Kunst wie sie seit jeher existiert, ist ein Kunstwerk authentisch (2), oder aber eine Fälschung (1).
1°) Von Fälschung zu sprechen heißt, sich auf ein Original zu beziehen. Wo ist im Falle von Buren, Mosset, Toroni das Originalwerk? Ist es möglich, dass nur weil jeder entweder seine Streifen, seinen Kreis oder seine Pinselabdrücke für sich beansprucht hat, keiner Leinwände austauschen und für die beiden anderen ausführen könnte, ohne eine Fälschung zu verschulden? Wer sagt uns, dass von Anfang an nicht jeder bereits die Leinwand des anderen ausgeführt hat? Und wenn wir alle Leinwände mit senkrechten Streifen, alle mit einem Kreis in der Mitte und alle mit gegeneinander versetzten Pinselabdrücken vergleichen, wer wird unterscheiden können, ob Buren oder Mosset oder Toroni ihr Urheber war? Denn ganz unabhängig vom jeweiligen Urheber sind die Leinwände jedes “Typus” absolut identisch.
2°) Ist es möglich, dass senkrechte Streifen ‘ein Buren’ bleiben, ein Kreis in der Mitte ‘ein Mosset’, gegeneinander versetzte Pinselabdrücke ‘ein Toroni’, auch wenn Buren, Mosset, Toroni jeweils die Leinwand der beiden anderen ausführen?
Wohl bleibt das Werk an denjenigen gebunden, der im Rufe steht, es als erster geschaffen zu haben. Das heißt, dass eine Identität zwischen Buren und seiner Leinwand, Mosset und seiner Leinwand, Toroni und seiner Leinwand hergestellt wird.
Doch wenn das Werk immer mit sich identisch ist, ganz unabhängig von seinem Urheber, so muss man daraus ableiten, dass Buren, Mosset und Toroni als Individuen identisch sind! Dies ist bar jeder Vernunft.
‘Echt’ oder ‘falsch’ sind Begriffe, die sich auf die Malerei von Buren, Mosset, Toroni nicht anwenden lassen.
Buren, Mosset, Toroni beanspruchen jeweils "ihre Leinwand" und "diejenigen der beiden anderen", weil jeder faktisch die drei Leinwände angefertigt hat. Dies ist das einzige Kriterium, das erlaubt, sich ein Werk anzueignen, es zu ‘signieren’, wenn es sich um die Malerei von Buren, Mosset, Toroni handelt. /...”
Präsentationstext von Michel Claura : "Buren, Mosset, Toroni",
5.-25. Dezember 1967, 8, rue Montfaucon, Paris, 1967.
Kleines Ausstellungsfaltblatt
Artworks
Peinture acrylique blanche sur tissu rayé blanc et orange 4. Dezember 1967
Cercle noir sur fond blanc par Daniel Buren 4. Dezember 1967
Des empreintes de pinceau n° 50 par Daniel Buren 4. Dezember 1967
Biblios
* Claura, Michel : [Buren, Mosset, Toroni], in Buren / Mosset / Toroni, Paris, 5 décembre 1967, cit. n. p.
* Parmentier, Michel : Le Groupe Buren-Mosset-Parmentier-Toroni n’existe plus : Tract, 6 décembre 1967, cit. n. p.
* Claura, Michel : “Buren, Mosset, Toroni”, in Les Lettres françaises, Paris, n° 1211, 6 décembre 1967, p. 313.
* Claura, Michel : “Paris Commentary”, in Studio International, Londres : Studio International, janvier 1969, anglais, cit. [pagination inconnue].
* Claura, Michel : Actualité, in VH 101, Paris : Éditions Esselier, n° 5, printemps 1971, cit. p. 45.
* Buren, Daniel : "Exposition–Position–Proposition (a) : Travaux faits entre Novembre 1965 et Mars 1972 et leur mode", in Documenta 5, Cassel : Documenta GmgH / Verlagsgruppe Bertelsmann GmbH / C. Bertelsmann Verlag, 1972, cit. B7, p. 17.32.
* Lippard, Lucy : “1967” [avec extraits repris de Manifestation 1 et Manifestation 4 - Buren, Mosset, Parmentier, Toroni], in Six Years: The dematerialization of the art object from 1966 to 1972, New York : Praeger Publishers, 1973, anglais, cit. p. 32
* Hahn, Otto : "Le groupe BMPT, la mort supposée de l'art", in Art Press, Paris : Hubert Goldet, n° 12, juin/juillet/août 1974, cit. p. 13
* Le Bouil, Charles : "D'une brosse à reluire, la nouvelle peinture en France, plupart synoptique et topographie du territoire : ajouts et compléments", in NDLR : écriture/peinture, Paris, n° 1, été 1976, cit. p. 24
* Restany, Pierre : L'autre face de l'art, Paris : Galilée, écritures/figures, février 1979, cit. p. 138
* Le Bouil, Charles : "quelqu'un / personne / digressions préliminaires à toutes fins utiles", in Toponymies, Limoges : : Éditions A.R.S.I.C., n° 2/3, été 1979, cit. n. p.
* Minh-Ha, Trinh T. : "4- Il neige, il pleut, il peint", in Un art sans œuvre ou L'Anonymat dans les arts contemporains, Lathrup Village, Michigan : International Book Publishers, Inc., Studies in Language and Literature, 1981, cit. p. 64
* Baldassari, Anne; Buren, Daniel : "Entrevue", in Daniel Buren / Entrevue : Conversations avec Anne Baldassari, Paris : Musée des Arts Décoratifs / Flammarion, 25 mars 1987, cit. p. 22.
* Syring, Marie Luise : "BMPT oder Die Erklärung über eine Kunst, die sich nicht als solche ausgibt", in Kunst in Frankreich seit 1966, Cologne : DuMont Buchverlag, DuMont Taschenbücher, 1987, allemand, cit. p. 58
* Poinsot, Jean-Marc : "Histoire d'une œuvre inachevée", in Michel Parmentier, Paris : Centre national des arts plastiques, 1988, cit. p. 21
* Baldassari, Anne; Buren, Daniel; Parmentier, Michel : Propos délibérés. Daniel Buren, Michel Parmentier, entretiens réalisés par Anne Baldassari les 11, 23 et 28 janvier 1990, Lyon / Bruxelles : Art édition / Palais des beaux-arts, 30 mai 1991, cit. p. 20, 23, 26
* Claura, Michel : "Paris Commentary", in Conceptual art: a critical anthology, Cambridge, Massachusetts / Londres : The MIT Press, Décembre 1999, anglais, cit. p. 84.
* Stange, Raimar : Fight for your (Copy)Right! / V. Kurzer Exkurs: historische Wiederholungstäter = Brief excursus : Historical recidivists, in Kunst nach Kunst / Art after Art, Brême : : Neues Museum Weserburg Bremen / Hauschild Verlag, août 2002, repr. p. 35.
* Buchloh, Benjamin H. D. : “The Group That Was (Not) One: Daniel Buren and BMPT”, in Art Forum, New York : Art Forum, mai 2008, anglais, cit. p. 311.
* “Daniel Buren : Rêvons de changer le monde”, in L’Humanité, Saint-Denis : L’Humanité, n° 20251, 9 décembre 2009, cit. p. 12.
* Dupont, Valérie : "Créer collectivement en 1968", in Les Malassis, une coopérative de peintres toxiques (1968-1981), Montreuil : L'échappée, octobre 2014, cit. p. 48